Steuerhinterziehung bei Influencern: Was jetzt strafbar ist – und wie Sie sich schützen können
Artikel von Rechtsanwältin Aileen Pavlić LL.B.
Neue Fälle rücken Steuerhinterziehung in der Social-Media-Welt in den Fokus
Ob Instagram, TikTok, YouTube oder Twitch – Influencer sind überall vertreten. Sie verdienen teils hohe fünf- bis sechsstellige Beträge im Monat, werben für Produkte, generieren Reichweite und beeinflussen Kaufentscheidungen. Doch während ihre Auftritte perfekt inszeniert sind, ist es um die steuerliche Seite ihrer Tätigkeit oft weniger professionell bestellt.
In den letzten Monaten kam es vermehrt zu Ermittlungen, Hausdurchsuchungen und Strafverfahren gegen Influencer – insbesondere in Zusammenhang mit dem Verdacht der Steuerhinterziehung. Dabei geraten zunehmend auch Influencer mit Wohnsitz im Ausland in den Fokus der deutschen Finanzbehörden.
Der aktuelle Brennpunkt: Influencer im Ausland – steuerfrei?
Viele Influencer verlagern ihren Wohnsitz in Länder wie Dubai, Zypern oder Spanien – oft in der Hoffnung, sich der deutschen Steuerpflicht zu entziehen. Doch so einfach ist es nicht. Wer in Deutschland einen Wohnsitz hat, sich regelmäßig hier aufhält oder Einnahmen aus Deutschland generiert, kann trotzdem in Deutschland steuerpflichtig sein.
Wann Influencer trotz Auslandssitz in Deutschland steuerpflichtig sind:
-Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt = mehr als 183 Tage in Deutschland (z. B. Familie oder Wohnung in Deutschland)
-Deutsche Kooperationspartner oder Werbekunden
-Einnahmen aus inländischen Quellen (z. B. deutsches Publikum, deutsche Marken)
-Streaming oder Content-Produktion aus Deutschland heraus
Die Finanzämter werten in der Praxis auch Social-Media-Posts, GPS-Daten, Eventteilnahmen und Rechnungsadressen aus, um die steuerliche Ansässigkeit und das sogenannte Welteinkommen zu ermitteln.
Achtung: Nur weil man sich in Dubai anmeldet, heißt das noch lange nicht, dass man steuerfrei ist.
Welche Steuern müssen Influencer zahlen?
Influencer sind Unternehmer – und das hat steuerliche Konsequenzen. Je nach Tätigkeitsform und Umfang fallen unterschiedliche Steuerarten an:
1. Einkommensteuer
Wer als Influencer mehr als den Grundfreibetrag verdient (2025: 11.604 € jährlich), ist einkommensteuerpflichtig. Die Höhe richtet sich nach dem persönlichen Steuersatz, der bei hohen Einkünften bis zu 45 % betragen kann (Spitzensteuersatz).
Besteuert wird grundsätzlich das gesamte Einkommen – auch Sachzuwendungen wie:
Gratis-Kleidung, Kosmetik oder Technik
Kostenlos bereitgestellte Reisen oder Hotelaufenthalte
Provisionen und Werbeerlöse
2. Umsatzsteuer
Influencer, die mehr als 22.000 € im Jahr (Kleinunternehmergrenze) umsetzen, müssen auf ihre Leistungen 19 % Umsatzsteuer erheben und abführen. Das betrifft etwa:
Werbeposts für Unternehmen
Teilnahme an Events gegen Entgelt
Einnahmen aus Plattformen (YouTube-Werbung, Twitch-Donations etc.)
Wichtig: Auch Sachleistungen können umsatzsteuerpflichtig sein, wenn sie als Gegenleistung für eine Werbeleistung gelten!
3. Gewerbesteuer
Wenn die Tätigkeit nicht rein freiberuflich ist, sondern als gewerblich gilt – was bei Influencern häufig der Fall ist –, kann ab einem Gewinn von über 24.500 € jährlich zusätzlich Gewerbesteuer anfallen.
4. Quellensteuer
Ein häufig unterschätztes Thema bei im Ausland lebenden Influencern ist die sogenannte Quellensteuer. Dabei handelt es sich um eine Steuer, die direkt an der Quelle erhoben wird – also beim inländischen Auftraggeber, bevor das Honorar überhaupt an den Influencer ausgezahlt wird.
Wann greift die Quellensteuer?
Nach deutschem Steuerrecht (§ 50a EStG) fällt Quellensteuer an, wenn:
-ein ausländischer Influencer Leistungen für ein deutsches Unternehmen erbringt,
-es sich um eine sogenannte künstlerische, sportliche oder unterhaltende Tätigkeit handelt,
-die Leistung ganz oder teilweise im Inland erbracht wird – z. B. durch Content-Produktion, Live-Auftritte oder Posts, die sich gezielt an ein deutsches Publikum richten.
In diesem Fall muss das deutsche Unternehmen 15 % des Honorars zuzüglich Solidaritätszuschlag direkt an das Finanzamt abführen – bevor der Betrag an den Influencer ausgezahlt wird.
Beispiel:
Ein Influencer mit Wohnsitz in Dubai wirbt in einem Instagram-Post für ein deutsches Unternehmen. Der vereinbarte Betrag beträgt 10.000 €.
→ Das Unternehmen muss davon ca. 1.533 € Quellensteuer einbehalten und abführen.
→ Der Influencer erhält nur 8.467 € ausgezahlt – sofern keine Freistellung oder abweichende Regelung greift.
Strafrechtliche Konsequenzen bei Steuerhinterziehung
Wer steuerlich relevante Einnahmen vorsätzlich oder fahrlässig nicht erklärt, macht sich strafbar (§ 370 AO). Die Strafen reichen von Geldstrafen bis zu Freiheitsstrafen von bis zu 10 Jahren in besonders schweren Fällen.
Besonders riskant sind dabei:
Nicht deklarierte Produktsponsoring-Deals
Verdeckte Werbeverträge
Falsche oder manipulierte Rechnungen
Verlagerung des Wohnsitzes ins Ausland ohne tatsächlichen Lebensmittelpunkt
Selbstanzeige als letzter Ausweg – aber nur rechtzeitig
Die strafbefreiende Selbstanzeige (§ 371 AO) kann für Influencer ein rettender Ausweg sein – vorausgesetzt, sie erfolgt vollständig und bevor das Finanzamt tätig geworden ist.
Voraussetzungen für eine wirksame Selbstanzeige:
Vollständige Nachmeldung aller relevanten Einkünfte (i. d. R. für 10 Jahre)
Keine bereits begonnene Prüfung, Durchsuchung oder Strafanzeige
Fristgerechte Zahlung der hinterzogenen Steuern samt Zinsen
Lückenlose Offenlegung – auch bei Auslandseinkünften oder Briefkastenfirmen
Tipp: Selbstanzeigen sind komplex und sollten im besten Fall über einen Anwalt erfolgen, um strafrechtliche Risiken sicher auszuschließen.
Was jetzt wichtig ist: Handlungsempfehlungen für Influencer
Dokumentation und Transparenz: Alle Einnahmen – egal ob Geld oder Produkt – sollten sauber dokumentiert werden.
Steuerberater einschalten: Ein spezialisierter Steuerberater und Anwalt kann helfen, frühzeitig rechtliche Fallstricke zu erkennen.
Wohnsitz-Thema prüfen: Wer im Ausland lebt, sollte professionell prüfen lassen, ob trotzdem eine Steuerpflicht in Deutschland besteht.
Nicht warten: Wer Fehler erkennt, sollte sofort handeln – die Uhr tickt, insbesondere im digitalen Raum mit hoher Sichtbarkeit.
Fazit: Keine Steuerfreiheit für Sichtbarkeit
Influencer sind keine steuerfreie Zone. Die Realität ist: Sichtbarkeit bringt Verantwortung mit sich – und die beginnt beim Finanzamt. Gerade in Zeiten zunehmender internationaler Kooperation der Steuerbehörden (Stichwort: CRS, DAC7) wird es immer schwerer, sich steuerlich „unsichtbar“ zu machen.
Wer rechtzeitig reagiert, hat Chancen – wer wartet, riskiert Hausdurchsuchung, Strafverfahren und hohe Nachzahlungen.
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